Auf den ersten Blick sieht die gezeichnete Welt Theresa Lükenwerks (*1963) aus wie schlechte Drucke - wie vergilbte Drucke mit abgebrochenem Raster und vertönten Farben. Tatsächlich ist es die ganz banale zeitgenössische Bilderwelt, die sie uns zeigt. Die Vorlagen zu ihren Zeichnungen stammen aus allen Ecken und Enden der gedruckten Welt, aus Magazinen und Katalogen, aus den Welten der Werbung, der Wissenschaft, der Mode. Ihre Vorlagen sind Drucke - die jedoch nicht belichtet, sondern gezeichnet werden. Der einzigartige Zauber ihrer Blätter rührt von den Operationen, mit denen sie diese Bilder erzeugt: Lükenwerk zeichnet, was im Offsetdruck gedruckt wird. Sie adaptiert das Verfahren des Offsetdrucks und wiederholt damit ein industrielles Verfahren mit der eigenen Hand. Schicht für Schicht, Farbe für Farbe. So arbeitsaufwendig und selbstvergessen, dass diese Arbeit an die kopierenden Mönche erinnert - aber auch an die Mönche der Moderne, die sich in ihre stillen Kammern zurückzogen, um den industriellen Lawinen ihre eigene Abschrift entgegenzuhalten, mit der Hand geschrieben und mit der eigenen Zeit bezahlt. Erst durch diesen Akt, durch diese gleichsam mittelalterliche Herstellungsweise werden diese Blätter zu einem Ereignis. Die technische Regression führt zu einer Verlangsamung der Bildwerdung, zu einer Entschleunigung im Zeitalter von Scan und Jpeg. Diese Verlangsamung macht deutlich, dass sich Lükenwerk weniger wie die neuen Archivare der sichtbaren Welt verhält, die die ganze Welt des Visuellen in ihre Rechner einspeisen. Man könnte sie vielmehr für eine Archäologin halten, die akribisch und Schicht für Schicht die Bildwelt einer fernen Epoche rekonstruiert - mit dem Unterschied, dass die von ihr rekonstruierte Epoche vor der Haustür beginnt. Aus einem einzigen Blatt rekonstruiert sie die gesamte sichtbare Welt. Nicht die ganze visuelle Welt in einem Programm, sondern das Programm der ganzen gedruckten Bildwelt in einem Bild rekonstruieren, das wäre das Projekt Lükenwerks.